Ein exklusiver Bericht aus der Schweizer Einsatzzentrale Luftverteidigung über einen Fall, der sich genau so ereignete:
Um 08:12 Uhr klingelt in der Einsatzzentrale Luftverteidigung in Dübendorf das Telefon. Am Apparat ist das Area Control Center in Zürich (ACC), welches unter anderem für die Flugverkehrsleitung der nordöstlichen Hälfte der Schweiz verantwortlich ist. Das ACC informiert die Einsatzzentrale, dass für ein Passagierflugzeug, welches im Begriff ist, vom französischen in den deutschen Luftraum und später in den Schweizer Luftraum einzudringen, eine Bombendrohung ausgesprochen wurde.

Die Maschine werde momentan noch von französischen Abfangjägern begleitet. Wie bei einem Raser der unsere Grenze in Richtung Schweiz passiert, geht die Zuständigkeit auch in einem solchen Fall an die Schweizer Behörden, hier spezifisch an die Schweizer Luftwaffe, über. Der Chief Air Defense (CAD), der befehlshabende Offizier, befiehlt umgehend den Alarmstart zweier F/A-18 Hornets, welche für einen Einsatz bereitstehen. Der Auftrag lautet «Hot Mission, Shadow». Die F/A-18 Piloten haben nun maximal 15 Minuten Zeit, um in Payerne zu starten. Innert dieser kurzen Frist müssen sie sich und den Kampfjet vorbereiten, die Triebwerke starten und zur Startbahn rollen.
Zeitgleich bestätigt das französische Pendant des Schweizer CAD ihm telefonisch, dass sich die französischen Abfangjäger in einer «Shadow Position», für die Crew und Passagiere unsichtbar, befinden und der Maschine folgen. Zudem sei die Maschine im französischen Luftraum aus Sicherheitsgründen umgeleitet worden, um zu vermeiden, dass die Hauptstadt Paris überflogen werde.
Die Zeit bis zum Start der F/A-18 nutzt der CAD, um den Vorfall dem Senior Duty Officer (SDO, Pikettoffizier der Schweizer Luftwaffe) und der Einsatzzentrale der FEDPOL zu melden, die weitere Prozesse in Gang setzen.

Die beiden F/A-18 Piloten sind nun gestartet und waren nach nur 13 Minuten in der Luft. Weil die Maschine mit der Bombendrohung schon bald über Schaffhausen den Schweizer Luftraum erreicht, befiehlt der CAD den beiden F/A-18 Piloten, bereits kurz nach dem Start Überschall zu fliegen. Die Piloten beschleunigen die Kampfjets mit Hilfe des Nachbrenners auf eine Geschwindigkeit von Mach 1.6, das 1.6-fache der Schallgeschwindigkeit.
Um 08:31 Uhr ist es soweit. Das bedrohte Flugzeug dringt vom deutschen Luftraum kommend in den Schweizer Luftraum ein. Die beiden Schweizer F/A-18 sind dank ihrer leistungsfähigen Triebwerke bereits vor Ort und identifizieren es. Wie bei einer «Hot Mission, Shadow» verlangt, wird das Flugzeug in einem für Crew und Passagiere unsichtbaren Winkel abgefangen. So bekommen weder die Crew noch die Passagiere etwas davon mit. Das vermeidet zusätzliche Unruhe an Bord. Anschliessend begleiten sie die Maschine auf ihrem Weg durch den Schweizer Luftraum. Der Flug verläuft glücklicherweise ruhig. Die Piloten unserer zwei F/A-18 stellen nichts Abnormales wie beispielsweise einen plötzlichen Sinkflug oder Kurswechsel fest. Der Luftwaffenmitarbeiter, der in der Einsatzzentrale den Flugfunk der Schweiz rund um die Uhr überwacht, meldet, dass sich die Crew der Maschine kooperativ und ruhig verhält. Eine Entführung ist somit weniger wahrscheinlich.
Um 08:36 Uhr verlässt das Flugzeug den Schweizer Luftraum in Richtung Österreich und wird von österreichischen Abfangjägern begleitet. Auch die italienischen Kollegen sind bereits in Überschallgeschwindigkeit mit zwei Eurofightern auf Abfangkurs. Unsere F/A-18 bleiben währenddessen vorsorglich in der Nähe der östlichen Landesgrenze, um schnell reagieren zu können, falls das Flugzeug plötzlich umdrehen würde. Die Crew des Passagierflugzeuges konnte jedoch sicher landen. Niemand wurde verletzt.
Das Gelingen dieses Einsatzes war möglich, weil wir mit leistungs- und überschallfähigen Kampfflugzeugen innerhalb der erforderlichen Zeitmarge reagieren konnten. Um das Gelingen solcher Einsätze auch in Zukunft zu garantieren, ist die Luftwaffe auf eine Flottenerneuerung angewiesen, da unsere F/A-18 gegen Ende der 2020er Jahre die zertifizierte Nutzungsdauer erreichen.

Folgende Frage hat uns über die Social Media Kanäle erreicht und interessiert wahrscheinlich viele Leser. Darum beantworten wir die Frage gerne direkt hier im Bericht.
Was würde passieren, wenn das Flugzeug plötzlich abgedreht wäre?
Für solche Fälle bestehen von der internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO festgelegte Verfahren, die jeder Pilot kennt. Sie sind Teil seiner Grundausbildung. Zuerst wird versucht zu klären, was die Absichten des vom geplanten Flugweg abweichenden Flugzeugs sind. Es wird geklärt, ob die Crew des Flugzeuges kooperativ ist oder ob von bösen Absichten ausgegangen werden muss. Eine Crew könnte unter Umständen auch kooperativ sein und trotzdem vom Flugweg abweichen müssen, weil technische Probleme sie dazu zwingen. In so einem Fall kann ein Kampfflugzeug unterstützend helfen.
Um die Frage der Kooperation zu klären, versuchen die Piloten des Kampfjets auf der Notfrequenz per Funk mit der Crew im Flugzeug in Kontakt zu treten. Bleibt dies erfolglos, würde ein Kampfjet in eine Position fliegen, die vom Cockpit des Passagierflugzeuges aus sichtbar ist. Dann kämen von der ICAO definierte Zeichen zum Einsatz, die ebenfalls jeder Pilot kennt.
Bleibt die Situation unklar und muss von bösen Absichten ausgegangen werden, kann der Einsatzleiter in der Einsatzzentrale der Luftwaffe einen Warnschuss befehlen. Der Einsatz der Waffen ist in Friedenszeiten an den Bundesrat delegiert. Deshalb verfügt der Einsatzleiter über eine direkte Verbindung zum Bundesrat. Sollten sich bösen Absichten erhärten, wird der Bundesrat anhand der Informationen aus der Einsatzzentrale und den Beobachtungen der beiden Kampfjet-Piloten über den Gebrauch der Waffen entscheiden müssen.
Solche Situationen können sehr dynamisch und sehr komplex ablaufen. Daher ist es wichtig, dass hierfür Kampfjets vor Ort agieren können und ein Pilot die Gegebenheiten genau beurteilen kann. Deshalb bilden Kampfflugzeuge das Rückgrat des Luftpolizeidienstes und können nicht durch unbemannte Drohnen, Boden-Luft-Abwehrsysteme oder Trainingsjets (zu langsam) ersetzt werden.
